January 25, 2016

Schwarze Blume

„Los, komm!“, rief ich meiner großen Schwester freudig zu und lief auf den Wald zu. Es war ein sonniger Tag, die Sonnenstahlen spiegelten sich im Wasser des kleinen Teichs und das Grad hatte eine satte grüne Farbe. Voller Elan und guter Laune lief ich über die Wiese und drehte mich im Keis, atmete die warme Sommerluft. Ein paar Meter weiter standen die ersten Bäume und kurz dahinter begann auch der einladend wirkende Wald. „Halt, warte! Lauf doch nicht so schnell!“, ref mir meine Schwester hinterher. Ich blieb kurz stehen und wartete auf sie. Ein paar Sekunden später stand sie keuchend neben mir. „Mein Gott, bist du schnell!“, sagte sie ganz außer Atem. „Nein, gar nicht. Du bist nur zu langsam!“, kicherte ich und hüpfte nun fröhlich auf den Wald zu. Meine Schwester lief hinter mir her. Wir kamen auf den Hauptpfad, der in tiefer den Wald führte. Es war ein Sandweg und ich spürte eben diesen sanft unter meinen Füßen. Wir gingen weiter in den Wald hinein. Die Vögel zwitscherten fröhlich und die Atmosphäre war einfach nur wunderbar. Plötzlich entdeckte ich etwas, was mir in meinen voherigen zahlreichen Besuchen im Wald nie aufgefallen war. Ein kleiner, kaum sichtbarer Pfad zweigte sich vom Hauptpfad ab und lud mich gerade so ein. „Sieh mal!“, sagte ich und zupfte meiner Schwester am Saum ihres Kleides. „Was ist denn?“, fragte sie. „Der Pfad da! Können wir da nicht langgehen? Da waren wir noch nie!“, antwortete ich aufgeregt und sah sie bittend an. „Mir ist nie aufgefallen, dass es dort weitergeht“, wunderte sie sich. Ein wenig zögernd ging sie auf den verborgenen Pfad zu und schob die Blätter zur Seite. Ich folgte ihr neugierig. Der Pfad war extrem schmal und an den Seiten sicht bewäldert und beblättert. Auf einmal lichtete sich der Pfad und eine große Lichtung kam zum Vorschein. Das Gras duftete und war von einem intensiven Grün, welches ich noch nie zuvor gesehen hatte. Eine Menge spezieller Blumen wuchsen dazwischen, die meisten in einem schönen Violett. In der Mitte der Lichtung war ein kleiner Hügel, auf dem eine einzelne, hell erleutete Blume wuchs. Sie hatte mein Interesse geweckt, also ging ich darauf zu, um sie mir genauer anzusehen. Von weitem sah sie aus wie alle anderen auch, aber je näher ich kam, desto mehr fielen mir die Unterschiede zwischen dieser und all den anderen Blumen auf der Lichtung auf. Sie hatte die selbe Form und die selbe violette Farbe, doch an den Rändern hatte sie einen silbernen Streifen. Nun stand ich direkt vor der Blume und blickte auf die Blüte herab. Das, was ich dort sah, faszinierte und schockierte mich gleichermaßen. Dort, wo bei einer gewöhnlichen Blume das gelbe Innere war, war hier tiefschwarz und sah aus, wie ein dunkles Loch. Ich schluckte und es lief mir kalt den Rücken herunter. Es war, als könnte ich in die tiefsten Weltschmerzen und die Trauer einer Seele blicken. Schnell drehte ich mich um, lief zurück zu meiner Schwester, umklammerte sie am Oberkörper und schluchzte leise. „Hey, was ist denn los?“, fragte sie besorgt und streichelte mir über den Kopf. „Ich...können wir bitte gehen?“, fragte ich zaghaft. „Ja, natürlich“, antwortete sie und nahm mich auf den Arm. Ich vergrub mein Gesicht in ihren Haaren und wollte nicht mehr aufblicken, bis wir wieder zu Hause waren. Sie drückte mich kurz an sich und machte sich auf den Weg, zurück über den Pfad und zurück auf den Hauptpfad. Je weiter wir von der Lichtung weg kamen, desto ruhiger wurde ich. „Wir sind gleich da“, sagte meine Schwester mir. Ich nickte beruhigt, doch aufsehen wollte ich immer noch nicht. Dann passierte alles viel zu schnell. Ich hörte Schritte, einen lauten Knall. Meine Schwester stolperte und kippte nach vorne. Ich kniff weiterhin die Augen zusammen und spürte einen dumpfen Aufprall und etwas heißes, flüssiges. Ich riss die Augen auf. Ein weiterer Knall. Ich fiel. Tief. Sehr tief. In ein schwarzes Loch. Wie das Innere der Blume auf der Lichtung. Ich wollte schreien, aber es ging nicht. Ich wollte mich bewegen, aber es ging nicht. Ein stechender Schmerz. Und ich spürte nichts mehr.

Etwas fehlt

Es ist mir egal
Du bist mir egal.
Mir ist alles egal.
Die Welt zieht an mir vorüber.
Das Leben auch.
Ich schaue ihm hinterher.
Damals.
Da gab es den einen oder anderen schönen Moment.
Ich sehe ihnen hinterher.
Sie sind vorbei.
Zählen nicht mehr.
Wofür auch?
Was bringt es mir?
Es ist vorbei.
Ich musste lernen, damit zu leben.
Und das habe ich.
Es ist mir so egal.
Du bist mir egal.
Einfach raus aus meinem Leben.
Für immer.
Und doch fühle ich mich so leer.
Etwas fehlt.
Immer noch.
Oder wieder?
Ich weiß es nicht.
Es fehlt.
Es fehlt und lässt einen leeren Fleck in meinem Herzen.
Ich weiß, was es ist.
Und ich will es nicht wahrhaben.
Ich will es nicht einsehen.
Ich will es nicht.
Ich kann es nicht.
Es würde alles zerstören.
Und auch, wenn es mich auffrisst.
Ich kann so etwas wichtiges nicht zerstören.

Wellen

Wellen.
Sie sind wie das Leben.
Sie kommen und gehen.
Sie bauen sich auf und werden kleiner, bis sie am Ende ganz verschwinden und eine neue Welle entsteht.
Oder sie gelangen ans Ufer und brechen. Fallen sanft in sich zusammen.
Oder stoßen auf Hindernisse. Eine Steilküste, ein Fels in der Brandung. Sie rasen darauf zu, schlagen mit voller Wucht dagegen und zerspringen. So weit, wie Wasser eben zerspringen kann.
Manchmal holt eine Welle eine andere ein und überwältigt diese. Oder sie fügen sich zu einer zusammen.
Und dann sind da noch die Surfer und Jetski-Fahrer. Sie fahren über das Wasser ohne Rücksicht darauf, dass sie die Wellen beschädigen oder zerbrechen können.

Scherben unserer Zeit

Ich laufe durch die Straßen
Und alles zieht an mir vorbei
Ich habe das Gefühl, du stehst hinter mir
Doch da war nichts mehr von dir

Ich wünscht, du wärst noch bei mir
Ich wünscht, ich könnt in deine Augen seh'n
Erinn're mich an alte Zeiten
Und die Gegenwart bleibt stehen

Ich wollte wieder bei dir sein
Doch du bist fort und mir wird klar
Die Entfernung zwischen uns
ist lange nicht mehr wie sie einmal war

Ich wünscht, du wärst noch bei mir
Ich wünscht, ich könnt in deine Augen seh'n
Erinn're mich an alte Zeiten
Und die Gegenwart bleibt stehen

Mein Inneres zerbricht in kleine Stücke
Jedes einzelne dieser Teile
Erzählt eine Geschichte

Ich wünscht, du wärst noch bei mir
Ich wünscht, ich könnt in deine Augen seh'n
Erinn're mich an alte Zeiten
Und die Gegenwart bleibt stehen

Schwelge in Erinnerungen und denke an dich
Flüstere deinen Namen in die Nacht, hörst du mich?
Schaue in die Sterne, stehe neben mir
Und irgendwann bin ich bei dir